Montag, 17. Mai 2010

Grażyna Chrostowska: Ihre Gedichte im Schmuggelfund

Heute stelle ich Euch eine der Dichterinnen aus Ravensbrück vor.
Ihr Name: Grażyna Chrostowska
15 ihrer Gedichte haben die Frauen aus Ravensbrück herausgeschmuggelt.


Am 21. Oktober 1921 wurde Grażyna Chrostowska in Lublin geboren. Sie besuchte dort das Hanna-Czenerecka-Gymnasium. Grażyna Chrostowska schloss sich früh einer polnischen Untergrundorganisation (KOP) an und verteilte heimlich die illegale Zeitschrift "Polska Zyje" (Polen lebt).
Am 8. Mai 1941 wurde sie zusammen mit ihrem Vater in der Gestapostelle "Pod zegarem" verhaftet, als sie ihre dort bereits inhaftierte, zwei Jahre ältere Schwester Apolonia besuchte.

Bereits im Schulalter hatte Grażyna Chrostowska zu schreiben begonnen. Im Gefängnis "Schloss Lublin" begann sie Gedichte zu verfassen.


Das als Gefängnis dienende Schloss im Hintergrund des damaligen jüdischen Viertels von Lublin © Tomasz Wiśniewski (http://www.szukamypolski.com)

Sie wurde mit dem Lubliner Transport am 12. September 1941 nach Ravensbrück deportiert. Ihren Mitgefangenen trug sie dort Gedichte vor, die sie bei den Appellen oder in der Pritsche liegend aus dem Gedächtnis schuf. Ihr unbestrittenes literarisches Talent konnte sie nicht mehr weiter entfalten.

Am 18. April 1942 wurde sie zusammen mit ihrer älteren Schwester Apolonia sowie weiteren elf Polinnen von einem Exekutionskommando in Ravensbrück ermordet. Grażyna Chrostowska war 20 Jahre alt.

Ihre Gedichte blieben erhalten, weil sie sie kurz vor ihrer Hinrichtung der Freundin Nina Iwanska übergab, die sie aus Angst vor Entdeckung auswendig lernte.

Nina gehörte zu den jungen Frauen, die Opfer der medizinischen Experimente wurde. Nach den Operationen, so ihre Erinnerung, haben die Gedichte der Freundin ihr und den anderen Kraft und Trost gegeben.

Das Originalheftchen, in das Grażyna mit Bleistift ihre Gedichte eingetragen hatte, fand sich im Schmuggelfund. Eines ihrer Gedichte lautet "Die Fremde".


Blick auf das Konzentrationslager Ravensbrück vom Dach der "Kommandantur", 1940/41 (SS-Fotoalbum, www.ravensbrueck.de)


D I E F R E M D E


Stumme Reihen flacher, grauer Baracken

Und der Himmel ebenso grau, eisgrau ohne Hoffnung.

Eine Schar ungleicher Menschen, verloren im Dunkel,

Ein strenges Bild. Ein fremdes Bild. Zuviel Schweigen.

In toter Leere schleift sich Sehnsucht in die Stille,

Und nachts streift sie umher in blinden Seitengassen,

Und die große, dumpfe Verzweiflung erstickt vor Rührung.

Höre, wie weit von all dem rauschen freie Wälder.

Gibt es uns noch, sind wir immer noch dieselben.

Meine Sein kann ich nicht sehen, noch spüren, noch verfolgen.

Auf harter, fremder Erde bleiben unsere Spuren,

Flacher als die Vergessenheit,

Wir waren hier, und damit ist´s aus …


Grażyna Chrostowska, gedichtet im KZ Ravensbrück 1941/42